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Mittwoch, 24. Mai 2017

DLR: Energiewende: "In Wärme steckt ein unglaubliches Potential"


Obwohl die Reduktion von klimaschädlichem CO2-Ausstoß im Stromsektor schon weit fortgeschritten ist, droht Deutschland seine Klimaziele bis 2020 nicht zu erreichen. Die Energiewende kommt im Verkehrs- und Wärmebereich nur schleppend voran. Dabei stecken gerade im Wärmesektor Potentiale für mehr Energieeffizienz und die Nutzung von erneuerbaren Energien. Prof. Karsten Lemmer, Vorstand für Energie und Verkehr beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), beschreibt, wie man diese Potentiale heben kann.

Wärme ist alles andere als ein neues Thema, warum wird in der Energiewirtschaft gerade jetzt darüber diskutiert?

Im Stromsektor haben die erneuerbaren Energien bereits einen Anteil von fast 32 Prozent. Damit der CO2-Ausstoß - nicht nur in Deutschland, sondern weltweit - wirksam weiter reduziert werden kann, müssen wir auch den Wärme- und der Verkehrssektor weiterentwickeln. Hier liegen riesige Einsparmöglichkeiten. Bisher haben wir die paradoxe Situation: Die vorhandenen Anreize werden kaum genutzt. Warum sollte ein Hausbesitzer in Dämmung oder ein Industriebetrieb in Wiedergewinnung von Abwärme investieren, wenn der Preis für Öl und Gas entgegen aller Prognosen sinkt? Wenn jetzt allerdings die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, können die politischen Ziele mittelfristig durchaus noch erreicht werden.

Sie arbeiten in einer Forschungseinrichtung. Was können Sie beitragen?

Es muss ein gutes Zusammenspiel von Politik und Wissenschaft geben. Seitens der Politik müssen die richtigen Anreize geschaffen werden. Hier hat das Bundeswirtschaftsministerium gerade mit einer neuen Förderstrategie "Energieeffizienz und Wärme aus erneuerbaren Energien" die bisherige Förderlandschaft klarer strukturiert, mit den richtigen vier Förderschwerpunkten "Energieberatung", "energieeffiziente Gebäude", "Energieeffizienz in Industrie und Gewerbe" sowie "Wärmeinfrastruktur". Wichtig ist auch: Der Wärmemarkt darf nicht länger isoliert betrachtet werden, sondern bedarf einer integrierten, systemischen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Strom-Wärme-Kopplung. Hier kommt die Forschung ins Spiel: In der Energie-Systemanalyse und der Energie-Systemtechnik wird untersucht, wie die Sektorenkopplung funktionieren kann und wie neue Technologien optimal integriert werden können.

Können wir auf diesem Gebiet neue Technologien erwarten?

Ja, natürlich müssen aus der Forschung Entwicklungen und Ideen kommen, damit Energieeffizienztechnologien so gut und kostengünstig sind, dass sie auch bei niedrigem Öl-Preis für Industrie und Hausbesitzer interessant sind. Das DLR arbeitet an einer Reihe von Verfahren, um Wärme in Industrieprozessen zu recyceln. Große Mengen Abwärme fallen zum Beispiel in der Stahl- oder Aluminiumindustrie an, die sich in Flüssigsalz oder Feststoffen relativ preisgünstig über einige Stunden speichern lassen. Hier gibt es schon seit einigen Jahren Pilotprojekte und nach und nach auch kommerzielle Produkte. Mittelfristig kann die Industrie so große Beiträge zum Klimaschutz leisten. Langfristig werden auch thermochemische Speicher eine wichtige Rolle spielen, das sind Speicher, bei denen die Wärme über eine chemische Reaktion in einem Material gespeichert und wieder verfügbar gemacht wird. Aus dem Alltag kennen viele dieses Prinzip vom selbstkühlenden Bierfass. Im Verkehr kann die Abgaswärme mithilfe eines thermoelektrischen Generators in elektrische Energie umgewandelt werden. Dadurch werden Strom- und damit auch Kraftstoffverbrauch im PKW gesenkt.

Wie steht es um die Energieeffizienz bei Gebäuden?

Ob wir die Klimaziele erreichen, steht und fällt mit der Energieeffizienz im Gebäudebestand. Alle Langfristszenarien sagen, dass auch der Anteil erneuerbarer Energien bei der Wärmeversorgung steigen muss. Auch hier hat die neue Förderstrategie der Bundesregierung Akzente gesetzt und lässt die Förderung von fossilen Heizkesseln in drei Jahren auslaufen. Mit seinem Know-how aus der Fernerkundung entwickelt das DLR zurzeit Messverfahren mit denen Wärmeverluste an Gebäuden sehr schnell und genau analysiert werden können. Langfristig könnte es auch saisonale Energiespeicher geben. Das heißt, Hausbesitzer speichern im Sommer überschüssige Energie aus Solarthermie und Photovoltaikanlagen und können diese im Winter nutzen. Ein Kalkspeicher, den das DLR entwickelt, hat bei Hausbesitzern großes Interesse geweckt. Bis solche Speicher tatsächlich für den Haushalt auf dem Markt sind, wird es allerdings noch einige Jahre dauern, denn hier stehen wir erst am Anfang der Forschung und Entwicklung. Aber eben weil wir erst am Anfang stehen, kann man hier noch Innovationssprünge und viele Entwicklungen erwarten.


Kontakte
Dorothee Bürkle  
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Kommunikation, Teamleitung Media Relation
Tel.: +49 2203 601-3492
Fax: +49 2203 601-3249

Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik

Man erkennt sie.


Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“ [1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001


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