Obwohl die Reduktion von klimaschädlichem CO2-Ausstoß im
Stromsektor schon weit fortgeschritten ist, droht Deutschland seine Klimaziele
bis 2020 nicht zu erreichen. Die Energiewende kommt im Verkehrs- und
Wärmebereich nur schleppend voran. Dabei stecken gerade im Wärmesektor Potentiale
für mehr Energieeffizienz und die Nutzung von erneuerbaren Energien. Prof.
Karsten Lemmer, Vorstand für Energie und Verkehr beim Deutschen Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR), beschreibt, wie man diese Potentiale heben kann.
Wärme ist alles andere als ein neues Thema, warum wird in
der Energiewirtschaft gerade jetzt darüber diskutiert?
Im Stromsektor haben die erneuerbaren Energien bereits
einen Anteil von fast 32 Prozent. Damit der CO2-Ausstoß - nicht nur in
Deutschland, sondern weltweit - wirksam weiter reduziert werden kann, müssen
wir auch den Wärme- und der Verkehrssektor weiterentwickeln. Hier liegen
riesige Einsparmöglichkeiten. Bisher haben wir die paradoxe Situation: Die
vorhandenen Anreize werden kaum genutzt. Warum sollte ein Hausbesitzer in
Dämmung oder ein Industriebetrieb in Wiedergewinnung von Abwärme investieren,
wenn der Preis für Öl und Gas entgegen aller Prognosen sinkt? Wenn jetzt
allerdings die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, können die politischen
Ziele mittelfristig durchaus noch erreicht werden.
Sie arbeiten in einer Forschungseinrichtung. Was können
Sie beitragen?
Es muss ein gutes Zusammenspiel von Politik und
Wissenschaft geben. Seitens der Politik müssen die richtigen Anreize geschaffen
werden. Hier hat das Bundeswirtschaftsministerium gerade mit einer neuen
Förderstrategie "Energieeffizienz und Wärme aus erneuerbaren
Energien" die bisherige Förderlandschaft klarer strukturiert, mit den
richtigen vier Förderschwerpunkten "Energieberatung", "energieeffiziente
Gebäude", "Energieeffizienz in Industrie und Gewerbe" sowie
"Wärmeinfrastruktur". Wichtig ist auch: Der Wärmemarkt darf nicht
länger isoliert betrachtet werden, sondern bedarf einer integrierten,
systemischen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Strom-Wärme-Kopplung.
Hier kommt die Forschung ins Spiel: In der Energie-Systemanalyse und der
Energie-Systemtechnik wird untersucht, wie die Sektorenkopplung funktionieren
kann und wie neue Technologien optimal integriert werden können.
Können wir auf diesem Gebiet neue Technologien erwarten?
Ja, natürlich müssen aus der Forschung Entwicklungen und
Ideen kommen, damit Energieeffizienztechnologien so gut und kostengünstig sind,
dass sie auch bei niedrigem Öl-Preis für Industrie und Hausbesitzer interessant
sind. Das DLR arbeitet an einer Reihe von Verfahren, um Wärme in
Industrieprozessen zu recyceln. Große Mengen Abwärme fallen zum Beispiel in der
Stahl- oder Aluminiumindustrie an, die sich in Flüssigsalz oder Feststoffen
relativ preisgünstig über einige Stunden speichern lassen. Hier gibt es schon
seit einigen Jahren Pilotprojekte und nach und nach auch kommerzielle Produkte.
Mittelfristig kann die Industrie so große Beiträge zum Klimaschutz leisten.
Langfristig werden auch thermochemische Speicher eine wichtige Rolle spielen,
das sind Speicher, bei denen die Wärme über eine chemische Reaktion in einem
Material gespeichert und wieder verfügbar gemacht wird. Aus dem Alltag kennen
viele dieses Prinzip vom selbstkühlenden Bierfass. Im Verkehr kann die
Abgaswärme mithilfe eines thermoelektrischen Generators in elektrische Energie
umgewandelt werden. Dadurch werden Strom- und damit auch Kraftstoffverbrauch im
PKW gesenkt.
Wie steht es um die Energieeffizienz bei Gebäuden?
Ob wir die Klimaziele erreichen, steht und fällt mit der
Energieeffizienz im Gebäudebestand. Alle Langfristszenarien sagen, dass auch
der Anteil erneuerbarer Energien bei der Wärmeversorgung steigen muss. Auch
hier hat die neue Förderstrategie der Bundesregierung Akzente gesetzt und lässt
die Förderung von fossilen Heizkesseln in drei Jahren auslaufen. Mit seinem
Know-how aus der Fernerkundung entwickelt das DLR zurzeit Messverfahren mit
denen Wärmeverluste an Gebäuden sehr schnell und genau analysiert werden
können. Langfristig könnte es auch saisonale Energiespeicher geben. Das heißt,
Hausbesitzer speichern im Sommer überschüssige Energie aus Solarthermie und
Photovoltaikanlagen und können diese im Winter nutzen. Ein Kalkspeicher, den
das DLR entwickelt, hat bei Hausbesitzern großes Interesse geweckt. Bis solche
Speicher tatsächlich für den Haushalt auf dem Markt sind, wird es allerdings
noch einige Jahre dauern, denn hier stehen wir erst am Anfang der Forschung und
Entwicklung. Aber eben weil wir erst am Anfang stehen, kann man hier noch
Innovationssprünge und viele Entwicklungen erwarten.
Kontakte
Dorothee Bürkle
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation, Teamleitung Media Relation
Tel.: +49 2203 601-3492
Fax: +49 2203 601-3249