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Mittwoch, 5. Juli 2017

Coaching – zur Anpassung oder Starthilfe in die Freiheit?



Der Titel in etwas erweiterter Form: Coaching – zur (noch besseren) Anpassung oder eine Starthilfe in die (mentale) Freiheit?
Stellt sich diese Frage überhaupt?

Die Antwort auf diese Frage überlasse ich dem interessierten Leser dieses Beitrags.
Im Rahmen des Kennenlerngesprächs geht es insbesondere um die Erwartungen des Coachees an das Coaching und um die Frage, wer der eigentliche Auftraggeber ist: Die Person selbst, seine oder ihre Führungskraft oder die Empfehlung eines AC-Beraters.

Erwartungen können zum Beispiel sein: besser zu performen, besser Mitarbeiter zu führen, besser Konflikte zu managen, besser Beruf und Familie unter einen Hut bringen zu können, als „Wiederholer“ das nächste AC besser zu überstehen bzw. zu bestehen, mehr Wirksamkeit zu erzeugen und und und.

Alles ehrenwerte Erwartungen, doch ob es sich dabei auch um die dahinterliegenden Bedürfnisse des Coachees handelt, ist noch offen. Ich empfinde ob dieser Erwartungen erst mal ein gewisses Unbehagen. Unbehagen bezüglich der Plausibilität dieser Anliegen.

Eine Starthilfe in die (mentale) Freiheit?
Meine Hypothese ist, mein Gegenüber verfügt bereits über genügend Kompetenzen zu seiner oder ihrer Ergebniserwartung. Deshalb überprüfe ich zunächst und zuallererst diese Erwartung bzw. Erwartungen, zum Beispiel mit der Einladung:

„Ich vermute, dass Sie bereits ein ausgezeichneter Konfliktmanager (Beziehungsmanager etc.) sind. Um meine Vermutung zu überprüfen, lade ich Sie ein, mir anhand einer konkreten Erfahrung zu Ihrem Coachingziel zu beschreiben, wie Sie (zum Beispiel) einen Konflikt XY gelöst haben“.

Ganz oft reaktiviert der Coachee somit zunächst seine/ihre Kompetenzen. Und damit ist die Weiche für das weitere Vorgehen gestellt: Weg von jedweder problem- und hin zu lösungsorientierter Begleitung.    
                                                                      
Eine weitere Frage dient zur konsequenten weiteren Orientierung an Lösungen: „Und was genau wollen Sie dann noch an Ihrem Verhalten optimieren?“ Wenn das Gegenüber Mühe hat, Antworten zu finden, frage ich nochmals nach, zum Beispiel:

„Wer genau ist es, der diesen Anspruch auf Veränderung hat? Jemand in Ihnen, vielleicht der innere Kritiker, der sich meldet -Du musst noch viel besser werden, Du bist noch lange nicht gut genug- oder der äußere Kritiker -Also Herr oder Frau Maier, bevor Sie eine höherwertige Führungsverantwortung übernehmen können, müssen Sie noch……..“.

In beiden Fällen, ob es der innere oder der äußere Kritiker ist,
der letztlich als Hidden Agenda den Anstoß zum Coaching gegeben hat, kann es dazu führen, dass sich die ursprünglichen Erwartungen an das Coaching sehr verändern. In beiden Fällen geht es dann nicht um „schneller, höher, weiter“ sondern um ein Reframing: Weg von der Anpassung hin zur Mündigkeit und zur Freiheit der Entscheidung aus dem Ego State des Erwachsenen. Zum Beispiel:

„Wie kann ich den inneren Kritiker zufrieden stellen, ohne ihm die Macht über mein Leben zu geben oder: Wie kann ich meinen Erwartungsheger im außen durch den Einsatz meines geschickten Willens und professioneller Kommunikation dahingehend beeinflussen, dass er meine Performance in einem anderen Licht sieht“.

Vielleicht geht es dann im Coaching vor allem um die Stärkung des Coachees zu einer gefühlten „Ich bin okay – Du bist okay“ Haltung, aus welcher heraus er oder sie den Mut schöpft, bisheriges Anpassungsverhalten zu verstören, auch auf die Gefahr hin, dass es mal (psychisch) „weh tun kann“.

Und natürlich kann es auch mal zu dem (plausibilisierten) Auftrag führen: „schneller, höher oder weiter“.

Ihr
Hans Peter Wimmer


Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik

Man erkennt sie.


Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“ [1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001


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