Führen und
geführt werden auf Augenhöhe – wie hierarchisch bedingte unterschiedliche
Machtkompetenzen kompensiert werden können
Wenn es
richtig ist, dass die innere Einstellung bzw. Haltung anderen Menschen
gegenüber darüber (mit)entscheidet, welche Wirkung wir damit bei anderen
erzeugen, dann lohnt es sich, sich der eigenen Einflußmöglichkeiten bewusst zu
sein und sie vor allem zu nutzen. Bezogen auf das Miteinander in Organisationen
im Rahmen von Führen und geführt werden, könnten nachstehende Gedanken möglicherweise
dazu beitragen, die persönliche Gestaltungsmacht erfolgreicher Kommunikation zu
stärken.
Dies gilt
für Führungskräfte und MitarbeiterInnen gleichermaßen. Es folgen nun
einige sehr wohlgemeinte, „elterliche“ Angebote:
Für Führungskräfte könnte dies
bedeuten:
Seien Sie sich bewusst, dass Sie von ihren MitarbeiterInnen per se als „elterliche“
Autorität wahrgenommen werden und damit unbewusst bei diesen Gefühle
des „nicht okay- seins“ evozieren. Viele Führungskräfte wollen dies nach
meiner Erfahrung (erst mal) nicht wahrhaben. Vor allem dann, wenn sie
sich zu den „Glaubensbrüdern und -Schwestern“ des „Kooperativen
Führungsstils“ zählen. Sie gehen dann davon aus, dass ihre MitarbeiterInnen
ihre guten Absichten erkennen und sich ihnen dann voller Vertrauen öffnen,
die „Karten auf den Tisch legen“, ehrlich sind, rechtzeitig auf Probleme
hinweisen, ohne Vorbehalte wie mit einem „guten Kumpel“ kommunizieren. Wenn
dies jedoch von den MitarbeiterInnen so wie erwartet nicht vollzogen wird, ist
die Enttäuschung erst mal groß. Dann wird -oft blitzschnell- nach dem Motto
gehandelt: „Dann eben anders…“ Und wie dieses „andere“ dann aussieht, ist
sicher bekannt.
Wenn Sie vorgenannter „Erfahrungs-Tatsache“
zustimmen,
können Sie
Ihr Verhalten -insbesondere Ihr Kommunikationsverhalten- so gestalten, dass Sie
zum Beispiel: erst dann -und nur dann- sagen, was und gegebenenfalls wie
„etwas“ zu tun ist, wenn Sie vorab durch lösungsorientierte Fragen Ihre
MitarbeiterInnen eingeladen haben, ihre Kompetenzen und ihre Erfahrungen zu der
aktuellen Herausforderung ohne Vorbehalte zur Verfügung zu stellen. Sollte Ihr
Angebot nicht angenommen werden – was im Ausnahmefall möglich ist- dann -und
erst dann- drücken Sie Ihre Erwartungen an das zu erbringende Ergebnis klar und
unmissverständlich in Form eines Auftrags aus.
auf „Du bzw. Sie-Aussagen“
verzichten,
zum Beispiel
auf Aussagen wie: „ Sie sollten nie vergessen…“ – „Denken Sie immer daran,
dass…“ – „Das haben Sie falsch verstanden…“ – „Vergessen Sie nicht, dass….“ –
„Machen Sie was Sie wollen, aber kommen Sie mir nachher nicht …..“
etc. Diese und ähnliche Aussagen, lassen die meisten MitarbeiterInnen
blitzschnell und unwillkürlich alte, ähnlich klingende Aussagen erinnern und
ihnen die Scham- oder Wutröte ins Gesicht treiben.
auf Bewertungen der Motive
einer Person verzichten,
die Ihre
Erwartungen nicht oder nicht so, wie Sie es sich vorgestellt haben, sondern
nach den „guten Gründen“ der Abweichung fragen.
Für MitarbeiterInnen könnte dies
bedeuten:
Seien Sie
sich bewusst, dass Sie Ihre Führungskraft per se als „elterliche Autorität“
wahrnehmen, nach dem Motto: „Spontaneität will gut überlegt sein“. Auch
wenn Sie der Meinung sind, dies träfe für Sie nun überhaupt nicht zu, dann
überprüfen Sie ganz einfach Ihr konkretes Verhalten in Situationen, in denen
Sie mit Ihrer Führungskraft unterschiedliche Meinungen zum Thema XY haben.
Wenn Sie vorgenannter
„Erfahrungs-Tatsache“ zustimmen,
können Sie
Ihr Verhalten -insbesondere Ihr Kommunikationsverhalten- so gestalten, dass
Sie niemals, ich betone niemals, sich selbst zuschreiben, dass Sie
etwas nicht können oder nicht schaffen. Also nicht: „Unter diesen neuen
Terminvorgaben lässt sich der Termin auf keinen Fall einhalten“, sondern zum
Beispiel „ Unter diesen veränderten Rahmenbedingungen schlage ich vor, die
aktuell anstehenden Aufgaben zu priorisieren und die Aufgabe ABC in 4 Wochen zu
erledigen“. Somit kommunizieren Sie auf Augenhöhe und bieten Ihrer
Führungskraft Alternativen an. Und: Sie bleiben kompetent.
auf Konjunktive jedweder
Art verzichten
(vielleicht,
ein bisschen, etwas, könnte, würde, möglicherweise, eventuell etc.) und
stattdessen klare Aussagen treffen.
Zum
Beispiel: Nicht „Vielleicht können Sie sich meinem Vorschlag anschließen“,
sondern „Ich schlage XY vor. Was meinen Sie dazu?“ Dadurch laden Sie Ihre
Führungskraft zu lösungsorientierter Kommunikation ein. Sie
sich vor einem für Sie schwierigen Gespräch mit Ihrer Führungskraft kurz davor
mental auf die „Ich bin okay – Du bist okay“ Grundhaltung einstimmen. Eventuell
sich von der konkreten Situation kurzfristig dissoziieren und sich und Ihr
Gegenüber solange visualisieren, bis Sie vor Ihrem geistigen Auge ein
sogenanntes „wohlgeformtes“ Bild entwickelt haben (Blickkontakt,
lächeln, freundlich sein) und sich erst dann von diesem Bild „verabschieden“,
wenn dieses Bild sie mit angenehmen Gefühlen durchströmt hat. Sogenannter „Moment
of Excellence-Zustand“.
Dies sind einige Ideen aus einer Vielzahl
von weiteren Möglichkeiten,
um sich auf
Augenhöhe in Organisationen auszutauschen, ein Beitrag zur Mündigkeit oder
psychologischer Reife. Vielleicht können Sie diese Ideen für sich nutzen, oder
Sie kennen jemand, dem Sie davon erzählen. Vielleicht haben Sie auch Interesse
an einer persönlichen Begleitung oder einem entsprechenden Training.
Gegebenenfalls freue ich mich auf Ihre Kontaktaufnahme.
Ihr
Hans Peter Wimmer