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Mittwoch, 5. Juli 2017

Auf Augenhöhe führen und geführt werden



Führen und geführt werden auf Augenhöhe – wie hierarchisch bedingte unterschiedliche Machtkompetenzen kompensiert werden können

Wenn es richtig ist, dass die innere Einstellung bzw. Haltung anderen Menschen gegenüber darüber (mit)entscheidet, welche Wirkung wir damit bei anderen erzeugen, dann lohnt es sich, sich der eigenen Einflußmöglichkeiten bewusst zu sein und sie vor allem zu nutzen. Bezogen auf das Miteinander in Organisationen im Rahmen von Führen und geführt werden, könnten nachstehende Gedanken möglicherweise dazu beitragen, die persönliche Gestaltungsmacht erfolgreicher Kommunikation zu stärken.

Dies gilt für Führungskräfte und MitarbeiterInnen gleichermaßen. Es folgen nun einige sehr wohlgemeinte, „elterliche“ Angebote:

Für Führungskräfte könnte dies bedeuten: 
Seien Sie sich bewusst, dass Sie von ihren MitarbeiterInnen per se als „elterliche“ Autorität wahrgenommen werden und damit unbewusst bei diesen Gefühle des „nicht okay- seins“ evozieren. Viele Führungskräfte wollen dies nach meiner Erfahrung (erst mal) nicht wahrhaben. Vor allem dann, wenn sie sich zu den „Glaubensbrüdern und -Schwestern“ des „Kooperativen Führungsstils“ zählen. Sie gehen dann davon aus, dass ihre MitarbeiterInnen ihre guten Absichten erkennen und sich ihnen dann voller Vertrauen öffnen, die „Karten auf den Tisch legen“, ehrlich sind, rechtzeitig auf Probleme hinweisen, ohne Vorbehalte wie mit einem „guten Kumpel“ kommunizieren. Wenn dies jedoch von den MitarbeiterInnen so wie erwartet nicht vollzogen wird, ist die Enttäuschung erst mal groß. Dann wird -oft blitzschnell- nach dem Motto gehandelt: „Dann eben anders…“ Und wie dieses „andere“ dann aussieht, ist sicher bekannt.

Wenn Sie vorgenannter „Erfahrungs-Tatsache“ zustimmen,

können Sie Ihr Verhalten -insbesondere Ihr Kommunikationsverhalten- so gestalten, dass Sie zum Beispiel: erst dann -und nur dann- sagen, was und gegebenenfalls wie „etwas“ zu tun ist, wenn Sie vorab durch lösungsorientierte Fragen Ihre MitarbeiterInnen eingeladen haben, ihre Kompetenzen und ihre Erfahrungen zu der aktuellen Herausforderung ohne Vorbehalte zur Verfügung zu stellen. Sollte Ihr Angebot nicht angenommen werden – was im Ausnahmefall möglich ist- dann -und erst dann- drücken Sie Ihre Erwartungen an das zu erbringende Ergebnis klar und unmissverständlich in Form eines Auftrags aus.

auf „Du bzw. Sie-Aussagen“ verzichten,

zum Beispiel auf Aussagen wie: „ Sie sollten nie vergessen…“ – „Denken Sie immer daran, dass…“ – „Das haben Sie falsch verstanden…“ – „Vergessen Sie nicht, dass….“ – „Machen Sie was Sie wollen, aber kommen Sie mir nachher nicht …..“ etc. Diese und ähnliche Aussagen, lassen die meisten MitarbeiterInnen blitzschnell und unwillkürlich alte, ähnlich klingende Aussagen erinnern und ihnen die Scham- oder Wutröte ins Gesicht treiben.

auf Bewertungen der Motive einer Person verzichten,

die Ihre Erwartungen nicht oder nicht so, wie Sie es sich vorgestellt haben, sondern nach den „guten Gründen“ der Abweichung fragen.

Für MitarbeiterInnen könnte dies bedeuten:
Seien Sie sich bewusst, dass Sie Ihre Führungskraft per se als „elterliche Autorität“ wahrnehmen, nach dem Motto: „Spontaneität will gut überlegt sein“. Auch wenn Sie der Meinung sind, dies träfe für Sie nun überhaupt nicht zu, dann überprüfen Sie ganz einfach Ihr konkretes Verhalten in Situationen, in denen Sie mit Ihrer Führungskraft unterschiedliche Meinungen zum Thema XY haben.

Wenn Sie vorgenannter „Erfahrungs-Tatsache“ zustimmen,
können Sie Ihr Verhalten -insbesondere Ihr Kommunikationsverhalten- so gestalten, dass Sie niemals, ich betone niemals, sich selbst zuschreiben, dass Sie etwas nicht können oder nicht schaffen. Also nicht: „Unter diesen neuen Terminvorgaben lässt sich der Termin auf keinen Fall einhalten“, sondern zum Beispiel „ Unter diesen veränderten Rahmenbedingungen schlage ich vor, die aktuell anstehenden Aufgaben zu priorisieren und die Aufgabe ABC in 4 Wochen zu erledigen“. Somit kommunizieren Sie auf Augenhöhe und bieten Ihrer Führungskraft Alternativen an. Und: Sie bleiben kompetent.

auf Konjunktive jedweder Art verzichten
(vielleicht, ein bisschen, etwas, könnte, würde, möglicherweise, eventuell etc.) und stattdessen klare Aussagen treffen.

Zum Beispiel: Nicht „Vielleicht können Sie sich meinem Vorschlag anschließen“, sondern „Ich schlage XY vor. Was meinen Sie dazu?“ Dadurch laden Sie Ihre Führungskraft zu lösungsorientierter Kommunikation ein.  Sie sich vor einem für Sie schwierigen Gespräch mit Ihrer Führungskraft kurz davor mental auf die „Ich bin okay – Du bist okay“ Grundhaltung einstimmen. Eventuell sich von der konkreten Situation kurzfristig dissoziieren und sich und Ihr Gegenüber solange visualisieren, bis Sie vor Ihrem geistigen Auge ein sogenanntes „wohlgeformtes“ Bild entwickelt haben (Blickkontakt, lächeln, freundlich sein) und sich erst dann von diesem Bild „verabschieden“, wenn dieses Bild sie mit angenehmen Gefühlen durchströmt hat. Sogenannter „Moment of Excellence-Zustand“.

Dies sind einige Ideen aus einer Vielzahl von weiteren Möglichkeiten,
um sich auf Augenhöhe in Organisationen auszutauschen, ein Beitrag zur Mündigkeit oder psychologischer Reife. Vielleicht können Sie diese Ideen für sich nutzen, oder Sie kennen jemand, dem Sie davon erzählen. Vielleicht haben Sie auch Interesse an einer persönlichen Begleitung oder einem entsprechenden Training. Gegebenenfalls freue ich mich auf Ihre Kontaktaufnahme.

Ihr
Hans Peter Wimmer


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Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik

Man erkennt sie.


Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“ [1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001


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